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Bislang war der Mozilla-Browser nur so etwas wie „sponsored software“, nun jedoch werden Mozillas Pläne konkreter, wie man mit dem Browser Geld verdienen kann – außer mit dem Verkauf von Einträgen im Suchfeld. Die angezeigte persönliche Chronik in neuen Tabs könnte künftig zugunsten von Werbetreibenden manipuliert werden.

Firefox ist seit seiner ersten Veröffentlichung Freeware, die Monetarisierung spielte sich im Hintergrund ab. Bereits Anfang dieses Jahres war die Einführung von neuen Werbeformen angedacht gewesen, doch bislang wurden die „Directory Tiles“, wie die Werbeidee genannt wurde, nicht in die regulären Firefoxversionen integriert. Die ursprünglichen Pläne sahen vor, die bei neuen Installationen bislang leeren und noch nicht gefüllten Kacheln in einem neuen Tab mit Emblemen von Werbetreibenden zu füllen. Werbeflächen hätten die Firefoxnutzer also nur kurze Zeit nach der erstmaligen Installation des Browsers zu sehen bekommen, bis sich der Browserverlauf und damit auch die Schnellwahl-Kacheln mit Miniaturansichten der am häufigsten besuchten Seiten gefüllt hätten. Bereits bei Bekanntwerden dieser Pläne ging ein Raunen durch die Netzgemeinde. Letztlich wurde die dezente Werbeform, das Füllen der leeren Kacheln bei einem neuen Profil für neue Nutzer, aber noch nicht umgesetzt.


Werbekacheln in der Firefox-Entwicklerversion

Doch Mozilla entwickelte die Idee fort und geht nun sogar noch einen Schritt weiter. Im Gespräch mit cnet.com ließ Mozillas Vize-Marketingchef Darren Herman verlauten, dass das Konzept nun auf alle Nutzer umgelegt wird – und um die Komponente „Enhanced Tiles“ ergänzt. Nicht nur die leeren Kacheln bei einer frischen Browserinstallation sollen mit Anzeigen gefüllt werden, sondern auch bestehende, durch das Nutzerverhalten entstehende Kacheln der meistbesuchten Seiten. Die entsprechenden verkleinert dargestellten Seiten werden durch Werbeflächen relativ zur vormaligen Seite ersetzt, die die Kachel überlagern. Wer also z.B. bislang die verkleinerte Seite von Amazon sieht, wird künftig vielleicht ein dickes Amazon-Logo oder gar Produktbilder und andere Anzeigenformate im Browser entdecken können. Erst beim Überfahren mit der Maus sähe man wieder den Eintrag aus dem Browserverlauf.

Die neuen Werbeformen in Firefox seien eine Möglichkeit, Werbetreibenden behilflich zu sein, ihre Inhalte zu verbreiten, so Herman. Genauso gut könnte man auch sagen: Regen hilft, dass die Menschen nass werden. Worthülsen können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Fokus vom Nutzer weiter wegbewegt und stattdessen die Werbewirtschaft hofiert wird, Firefox sich zum Reklameträger entwickelt – und die oft viel beschworene Nutzererfahrung abnimmt. Besonders dreist wird es dann, wenn es den Nutzern auch noch als Mehrwert verkauft wird.

Mozilla befindet sich damit auf einer schwierigen Gratwanderung. Mozilla versteht sich auch weiterhin als Community-Projekt, das wird in Fragen der Monetarisierung eines Produktes recht schnell zum Bumerang. Das Gefährliche an Community-Projekten ist, dass sich die Community schnell gegen das Projekt wendet, wenn es sich auf einmal wie ein ordinäres kommerzielles Programm gebärdet. Mozilla muss den Spagat schaffen, für eine Generierung von Geldmitteln zu sorgen, ohne dabei seine Nutzerschaft, die einen nichtkommerziellen Browser erwartet, zu verprellen.

Historische Parallelen

Mozilla könnte mit den neuen Plänen die Grenze jedoch überschreiten, die die Nutzer zu tolerieren bereit sind, denn es wird nicht nur dezente Werbung für den Nutzer sichtbar, womit sich vermutlich viele noch arrangieren könnten, wenn sie tatsächlich nur temporär beim Öffnen eines neuen Tabs erschiene, sondern sie ersetzt auch vorhandene persönliche Informationen. Wer als Kachel seine Anmeldemaske bei Ebay, Amazon oder seinem Mailanbieter erwartet, dort nun aber Werbung eingeblendet wird, könnte sich gelinde gesagt verschaukelt fühlen.

Ironischerweise beerbt Firefox damit nun den Opera-Browser, der in der kostenlosen Version einst standardmäßig Werbebanner mitten in der graphischen Oberfläche einblendete, um später in der „Schnellwahl“, dem Vorbild für die Firefox-Kacheln, ebenfalls gesponserte Seiten anzuzeigen. Firefox könnte zudem Gefahr laufen, in die Netscape-Falle zu geraten. Bevor Microsoft mit dem Internet Explorer herauskam, waren Browser generell kostenpflichtig, was sich heute kaum noch jemand vorstellen kann. Für Netscape, den Firefox-Vorläufer, wurde in den 90er Jahren gezahlt. Erst die Praxis, Browser zum essentiellen Teil des Betriebssystems werden zu lassen, beendete dieses direkte Geschäftsmodell, einfach die Nutzer zur Kasse zu bitten. Netscape wurde fortan ebenfalls kostenlos verteilt – und mit eingebauten kommerziellen Lesezeichen vertrieben. In diese Fußstapfen tritt nun Mozilla, um die Abhängigkeit von Google zu verringern. Der Haken daran: gegen ein komplett werbefreies Programm, das sich allein in den Dienst der Nutzer stellt, kann Firefox nicht gewinnen, als Adware hat Firefox einen sichtbaren Nachteil. Die betriebssystemeigenen Browser wie der Internet Explorer und Safari werden im Gegenzug gefühlt wieder zu den Guten – denn sie sind bereits mit dem Erwerb des Betriebssystems bezahlt und nicht angewiesen auf eine indirekte Finanzierung.

Alternative Google Chrome

Das Fatale dabei ist, dass Google es sich leisten kann, seinen eigenen Browser gratis unter die Leute zu bringen – als Werbeträger nur für die eigenen Dienste. Damit steckt Chrome zwar ebenfalls voller Werbung, die jedoch nicht als solche wahrgenommen wird, da Nutzer die meisten Google-Dienste sowieso aufrufen würden. Doch bei Firefox wird die Werbung wie unerwünschte Werbung wirken – und die Anwender womöglich noch weiter in die Arme des direkten Firefox-Konkurrenten Chrome treiben. Sogar die Alleinstellungsmerkmale gegenüber Opera nehmen dadurch ab. Drittwerbung in der geplanten Form wird für die Nutzerschaft jedenfalls kein Anreiz sein, der zum Verbleib bei Firefox animiert.

Alles halb so wild?

Zunächst wird die Funktion nur in den Vorschau- bzw. Entwicklerversionen von Firefox Einzug halten, die Werbung also nur in den Aurora- und Betaversionen erscheinen – zu Testzwecken. Und die Funktion ist abschaltbar, der Nutzer kann weiterhin wählen zwischen einer leeren Seite, dem ursprünglich angedachten Verhalten (nur leere Kacheln werden gefüllt) und dem neuen Verhalten (alle Nutzer bekommen unbeschränkt Anzeigen zu sehen). Etwas anderes wäre auch zu bitter für diejenigen, die freiwillig für Firefox spenden oder das Programm durch ihre Mitarbeit unterstützen.


Noch lassen sich die Werbekacheln deaktivieren

Die Werbung selbst lässt sich nicht abschalten, der Nutzer kann zunächst nur entscheiden, ob er Werbung anzeigen lässt oder auf die Kachelvorschaufunktion insgesamt verzichtet. Lediglich mit der mittleren Einstellung verschwindet die Werbung nach einiger Zeit, wenn sich der Browserverlauf gefüllt hat.

Dass die ursprünglichen Pläne trotz des Image-Debakels Anfang des Jahres weiter ausgebaut werden, deutet darauf hin, dass es Mozilla ernst ist mit der Umsetzung – und die Funktion auch in den späteren regulären Firefoxversionen enthalten sein wird. Je nachdem, wie die Nutzergemeinde auf die Änderungen reagiert, wird sich entscheiden, ob es in absehbarer Zeit auch Werbung in den Hauptversionen von Firefox geben wird.

Hardcore-Werbegegner haben noch genug Vorlaufzeit, sich einen neuen Browser zu suchen – oder sollten Firefox später nur noch offline nutzen. Dabei gibt es eine weniger kommerzielle Inkarnation von Firefox bereits jetzt: Seamonkey, eine Art Firefox mit traditioneller Oberfläche, zeigt generell keine Kacheln in neuen Tabs, sondern wie früher üblich nur eine leere, weiße Seite.